Das Coaching zur Klimawandelanpassung wurde in der Stadt Zweibrücken offiziell im Mai 2019 gestartet. Vorab fanden bereits zwei Veranstaltungen im Rahmen einer kleineren Initialrunde am 11.06.2019 und eine Vorstellung bei einem JourFixe am 10.09.2018 statt. Nach der Erfassung und Bewertung der klimatischen Ausgangssituation (Vergangenheit, Ist-Zustand, Zukunft) und einer Betroffenheits- und Gefährdungsabschätzung (Vulnerabilitätsanalyse) durch den KlimawandelanpassungsCOACH erfolgte am 26.09.2019 der 1. Workshop zur Ausarbeitung von Klimaanpassungsmaßnahmen mit 15 Teilnehmern u.a. aus Politik, Verwaltung, Umwelt- und Servicebetrieb Zweibrücken, NABU, untere Naturschutzbehörde, Stadtwerke und Vertretern der "Fridays for Future"-Bewegung. Der Workshop beschäftigte sich mit den DAS-Handlungsfeldern Forstwirtschaft, Biodiversität, menschliche Gesundheit, Bauleitplanung, Bauwesen, Boden, Wasserhaushalt sowie Industrie und Gewerbe. Im gemeinsamen Dialog konnten 21 Maßnahmenvorschläge erarbeitet werden, 12 davon sind innerhalb des Workshops (siehe folgende Auflistung) erarbeitet worden, 9 wurden durch den KlimawandelanpassungsCOACH aufgeführt. Aus den 21 Vorschlägen wurden die wichtigsten Maßnahmenvorschläge durch den KlimawandelanpassungsCOACH in Steckbriefe (9) überführt.
Initiierung eines Leuchtturmprojekts zur Dach- und Fassadenbegrünung (bspw. Parkhaus am Helmholtz-Gymnasium)
Stärkung der Bürgerpartizipation zu städtischem Grün
Durchführung einer Dachbegrünungskampagne in Industrie- und Gewerbebetrieben
Entsiegelungen größerer Parkplatzflächen
Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit in klimawandelrelevanten Themen
Vorträge des KlimawandelanpassungsCOACHes in Ausschüssen & Stadtratssitzungen
Durchführung einer Sensibilisierungskampagne in Schulen
Sensibilisierungskampagne für die Bevölkerung zur Gestaltung von Vorgärten & Mitmachaktionen zur Vorgartenumwandlung/-gestaltung
Informationsveranstaltung Klimawandel
Start eines Volkshochschulkurses zum Klimawandel
Klimawandel-Ausstellung
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Coachings bestand in der Erstellung von kommunenspezifischen Leitlinien. Leitziele sind strategische, übergeordnete Rahmenbedingungen zur klimagerechten Stadtentwicklung. Sie weisen die Richtung für eine zukünftige, klimaangepasste und nachhaltige Stadtplanung aus und bilden das Gerüst, in welches konkrete, lokale Maßnahmen zur Klimaanpassung eingebettet sind. Sie besitzen höchste Priorität in Planungsentscheidungen und gelten daher für alle Neubau- und Sanierungsvorhaben. Die Leitlinien dienen Architekten, Landschaftsplanern, politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung als Planungsgrundlage. Das Ziel einer Leilinienverabschiedung wurde am 26.11.2019 auf der Bau- und Umweltausschusssitzung einem größeren Publikum vorgestellt und einstimmig beschlossen. Im Januar 2019 folgten weitere Abstimmungen in den einschlägigen Gremien und Ausschüssen. Weitere Kernelemente des Coachings waren die Einbettung des Projekts in die eigene Webpräsenz, die Vorstellung der Zwischenergebnisse auf dem größeren Netzwerktreffen der beteiligten Modellkommunen am 29.10.2019 in Annweiler am Trifels sowie die Information und Sensibilisierung der Bevölkerung in Lokalmedien.
Vorläufig geplante nächste Schritte ab 2020 sind:
Zu Beginn 2020: Große Bürger- und Infoveranstaltung
Themenvertiefung in Kleingruppen
Umsetzung weiterer priorisierter Maßnahmen
Klimawandel im Raum Zweibrücken
Die Stadt Zweibrücken liegt in der Westpfalz auf der Westricher Hochfläche, unmittelbar an der Grenze zum Saarland. Der Westrich ist Teil des Pfälzisch-Saarländischen Muschelkalkgebiets. Die Landschaft zeigt einen ausgeprägten, regelmäßigen Wechsel von scharf abgesetzten, bewaldeten Tälern und ackerbaulich genutzten Hochflächen. Nach Nordwesten und nach Norden fällt die Hochfläche in einer markanten Schichtstufe ab, während der östliche Rand einen fließenden Übergang des Muschelkalkplateaus in den Buntsandstein des Pfälzerwaldes darstellt. Der Westrich liegt in der gemäßigten Klimazone im Übergangsgebiet zwischen atlantischem und kontinentalem Klima. Die Jahresmitteltemperatur beträgt zwischen 7,5 und 9,5 °C und der mittlere Jahresniederschlag liegt zwischen 775 und 1125 mm.
Die Jahresdurchschnittstemperatur in Zweibrücken lag für den 30-jährigen Bezugszeitraum 1971-2000 bei 9,0 °C und im jüngsten 30-jährigen Mittel 1989-2018 bereits bei 9,7 °C. Innerhalb des Stadtgebietes ist die Temperaturverteilung sehr heterogen.
Die städtischen Temperaturdifferenzen bei Strahlungswetterlagen sind das Resultat der umliegenden Topographie, welche abends, nachts und am frühen Morgen Kaltluft in die Stadt transportiert. Insbesondere die in die Stadt hineinführenden Täler im Norden sorgen für einen Temperaturausgleich. Im Süden der Stadt ist der Kaltlufteintrag reduziert. Hitze wird vor allem im stark versiegelten Stadtkern gemessen.
Die Abbildung zeigt einen deutlichen Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen seit 1881 bis heute mit einer deutlichen Verstärkung seit den 1990er Jahren. Die 10 wärmsten Jahre wurden alle seit den 1990er Jahren verzeichnet. Das Jahrzehnt 2011 bis 2020 ist schon jetzt das wärmste Jahrzehnt seit Aufzeichnungsbeginn. Das wärmste je gemessene Jahr ist 2018 mit einer mittleren Jahrestemperatur von 11,2 °C, also bereits 2,2 °C über dem langjährigen Mittel.
Der mittlere Jahresniederschlag liegt in Zweibrücken im 30-jährigen Bezugszeitraum 1971-2000 bei 890 mm. Er zeigt im Zeitraum 1881 bis heute eine ausgeprägte annuelle Variabilität ohne signifikante Zu- bzw. Abnahme der Niederschläge. Erst seit den 2000er Jahren zeigt sich ein noch nicht signifikanter Trend eines Rückgangs der Jahresniederschläge. Die 10 trockensten und 10 feuchtesten Jahre sind uneinheitlich über den gesamten Messzeitraum verteilt. Der hydrologische Sommer (Mai bis Oktober) zeigt insbesondere seit den 1990er Jahren einen leichten Trend der Abnahme an Niederschlag.
Mit dem Temperaturanstieg einhergehend sind ein deutlicher Anstieg an Sommer- (Tmax ≥ 25 °C) und Hitzetagen (Tmax ≥ 30 °C) sowie ein Rückgang der Frost- (Tmin < 0 °C) und Eistage (Tmax < 0 °C) auszumachen. Alleine im Hitzesommer 2019 wurden 20 Hitzetage in Zweibrücken gezählt. In den zurückliegenden Sommern haben sich verstärkt länger anhaltende Hitzewellen gezeigt, welche an vereinzelten Tagen sogar die 40°C-Marke (Juni 2019) überschritten.
Klimaprojektionen geben Auskunft über mögliche Entwicklungen des Klimas in der Zukunft. Sie sind das Ergebnis der Anwendung von Klimamodellen, die auf Basis von Emissions- und Konzentrationsszenarien Klimaveränderungen modellieren. Die folgenden Analysen beziehen sich auf die Repräsentativen Konzentrationspfade (RCP) für die Szenarien 4,5 und 8,5 und zeigen jeweils ein Ensemble aus 13 Klimaprojektionen. Die Szenarien 4,5 und 8,5 wurden ausgewählt, da sie einen Korridor der zu erwartenden Entwicklungen aufspannen.
Für den Naturraum Westrich zeigen die Klimaprojektionen einen Temperaturanstieg von 3,5 bis 5,7 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit, sofern die Emissionen auf dem derzeitigen Pfad bleiben und wir global keine Fortschritte beim Klimaschutz erzielen (Worst Case Szenario; RCP 8.5). Bei einem Klimawandel „mittlerer Stärke“ (RCP 4.5) würde der Temperaturanstieg immer noch zwischen 2,0 und 3,7 °C betragen. Die steigenden Temperaturen zeigen sich zu allen Jahreszeiten.
Bei den mittleren Jahresniederschlägen wird von einem Großteil der Klimamodelle eine leichte Zunahme projiziert. Die Niederschlagsänderung liegt je nach Modell zwischen -5 und +25 % für den Zeitraum 2071-2100 gegenüber dem Bezugszeitraum 1971-2000.
Die Änderungssignale des Niederschlags für die hydrologischen Halbjahre zeigen ein differenzierteres Bild. Der hydrologische Sommer (Mai bis Oktober) zeigt keine signifikante Änderung des Niederschlags bis zum Ende des Jahrhunderts (-20 bis +20 %). Im hydrologischen Winter hingegen (November bis April) wird eine Niederschlagszunahme von 5 bis 35 % für den Zeitraum 2071-2100 gegenüber dem Referenzzeitraum (1971-2000) projiziert. Beide Emissionsszenarien führen in Zukunft zu einer weiteren Zunahme an Sommer- und Hitzetagen sowie einer weiteren Abnahme an Frost- und Eistagen.
Weitere Informationen zum Klima finden Sie in "Daten und Fakten" bei Auswahl der Region "Westrich".
Klimawirkungen im Raum Zweibrücken
Die Vulnerabilität (Verwundbarkeit) gegenüber Klimawandelfolgen ist aufgrund der Mittelgebirgslage mit ausgeprägter Topographie hinsichtlich Starkregen, Hochwasser, Sturzfluten und Bodenerosion grundsätzlich als hoch einzuschätzen. Die Verwundbarkeit gegenüber Hitze ist im Vergleich zum Oberrheingraben als geringer einzuschätzen.
Bei Starkregen fallen große Niederschlagsmengen in kurzer Zeit, oftmals in Verbindung mit konvektiven Ereignissen. Starkregen kann zu schnell ansteigenden Wasserständen und zu Überschwemmung führen, häufig einhergehend mit Sturzfluten und Bodenerosion. Die systematische Erfassung solcher Ereignisse ist aufgrund ihrer oftmals kleinräumigen Ausdehnung nur mit flächendeckenden und zeitlich hochaufgelösten Messungen möglich. Mit der Einführung der flächendeckenden Niederschlagserfassung durch Radar ist dies seit Beginn des 21. Jahrhunderts möglich.
Die Stadt Zweibrücken befindet sich in einem Bereich mit mittlerer bis hoher Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Starkregen. Insgesamt gab es in Zweibrücken zwischen 2002-2017 8 kurze, heftige Starkregen, zudem 4 Dauerregen über zwölf Stunden. In diesem Zeitraum hatten 40 von 1000 Gebäuden einen Schaden durch Starkregen erlitten (Quelle: www.gdv.de). Als Starkniederschlag werden im Kontext der nachfolgenden Analysen Regensummen > 20 mm/d bzw. 25 mm/h oder 35 mm/6h definiert (DWD). Die hier zugrunde gelegten Radardaten reichen nur bis in das Jahr 2001 zurück und sind daher hinsichtlich statistischer Auswertungen zu kurz. Zur großräumigen Identifikation von Risikogebieten können diese Daten jedoch bereits herangezogen werden.
Die Sturzflutgefahrenkarte zeigt Bereiche mit hohem Oberflächenabfluss (blaue Einfärbung). Bei Starkregen könnte es insbesondere hier zu Sturzfluten oder erosiven Prozessen kommen.
Eine Folge des Klimawandels im Bereich der landwirtschaftlichen Bodennutzung ist die Veränderung des Risikos von Bodenerosion durch Wasser. Bodenerosion gilt als eine der Hauptgefahren für den Erhalt der Bodenfunktionen und somit auch für die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit. Neben den Schäden durch den Verlust des Oberbodens auf der Erosionsfläche müssen weitere Folgeschäden beachtet werden. Hierzu zählen Hochwasserschäden, Ablagerungen des abgeschwemmten Bodens auf Verkehrs- und Siedlungsflächen, beeinträchtigte und dysfunktionale Kanalsysteme und Eutrophierung durch Nährstoffeinträge in Gewässer oder benachbarte Systeme. Die Verschlammung von Gewässern durch den erosionsbedingten Eintrag von Feinmaterial kann den aquatischen Lebensraum und die Gewässerökologie schädigen.
In Zweibrücken besteht aufgrund der lokalen Topographie insbesondere auf Ackerflächen der umgebenden Hochflächen eine erhöhte Gefährdung durch Bodenerosion und seine Folgeschäden.
Die klimatische Ausgangssituation ist in Zweibrücken im Vergleich zu Städten des Oberrheingrabens weniger durch Hitze belastet. Grund hierfür ist neben der Mittelgebirgslage und dem dadurch bedingt kühleren Klima insbesondere auch die gute Frisch- und Kaltluftzufuhr aus den umliegenden Höhen (siehe folgender Abschnitt: Frisch- und Kaltluft). Hitze stellt eine starke Belastung für den menschlichen Organismus dar. Sehr junge und ältere Menschen sind besonders betroffen, da ihr Organismus noch nicht oder nicht mehr ausreichend auf die Belastung reagieren kann. Ein "Hitzetag" oder "Heißer Tag" ist ein Tag, an dem das Maximum der Lufttemperatur mindestens 30 °C beträgt.
In Zweibrücken besteht ein deutlicher Trend hin zu häufigerer und intensiverer Hitze. Im Mittel wird in Zweibrücken an 6 Tagen im Jahr Hitze registriert. In Hitzesommern, wie 2003, 2015 oder 2018, übersteigt die Anzahl der Hitzetage das Mittel jedoch um ein Vielfaches, so wurden bspw. 2018 wurden 20 Hitzetage registriert, 2015 waren es 24 und in 2003 sogar 25 Tage. Eine Häufung an Hitzetagen(-perioden) zeigt sich in Zweibrücken insbesondere seit den 2000er Jahren.
Für die Zukunft ist von einer deutlichen Zunahme an Hitzetagen, Hitzeperioden und Tropennächten im Raum Zweibrücken auszugehen.
Das Stadtklima in Zweibrücken wird aufgrund seiner Lage in der Westricher Hochfläche, einer typischen Mittelgebirgslandschaft stark durch die umliegende Morphologie geprägt. Die Landschaft ist topographisch stark gegliedert. Ein wesentlicher thermisch regulierender Bestandteil des Stadtklimas stellt die Frisch- und Kaltluftzufuhr aus den umliegenden Höhenzügen dar. Die dort über Acker-, Grünland und Waldflächen gebildete Kaltluft kann über Kaltluftschneisen (z.B. Täler) in die Stadt hineingeführt werden und sorgt dort für eine deutliche Abkühlung, u.a. auch in den warmen und heißen Sommermonaten. Insbesondere im Norden der Stadt führt diese Kaltluftzufuhr aus den Seitentälern zu einer deutlichen Temperaturreduzierung. Im südöstlichen Teil der Stadt (östlich der A8, Ixheim) ist die Kaltluftzufuhr im Vergleich zu den anderen Stadtteilen geringer, da die Stadt hier nur aus zwei Tälern (a. Rote Klamm; b. südlich der Röntgenstraße) mit Frisch- und Kaltluft versorgt wird. Der Kaltluft kommt für das Stadtklima in Zweibrücken eine bedeutende Rolle zu. Ziel zukünftiger Stadtplanungen sollte es sein, Frisch- und Kaltluftschneisen mit stadtrelevanter Bedeutung von Bebauung frei zu halten, so dass die Stadt in Zeiten des Klimawandels und dessen einhergehender Temperaturerhöhung auch weiterhin bestmöglicht mit Frisch- und Kaltluft aus dem Umland versorgt werden kann.