Die Klimakrise ist politisch – Klimabildung häufig nicht

Klimabildung ist ein wesentliches Element für die Umsetzung einer klimagerechten Transformation. Trotz Fortschritten: Nur ein systematischer Wandel wird heftigste Klimawandelfolgen abwenden, heißt es im neuesten IPCC-Bericht. Doch wie kann Klimabewusstsein zu stringentem Klimahandeln führen? Mit dieser Frage haben sich Forschende, u. A. des Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen, in einem umfassenden systematischen Literaturreview auseinandergesetzt, das jetzt in der Fachzeitschrift Sustainability veröffentlicht wurde.

Da viele individuelle Maßnahmen von politischen Rahmenbedingungen abhingen, könne wirksame Klimabildung die Bedeutung politischer Entscheidungen für den Klimaschutz und die Anpassung an Klimawandelfolgen vermitteln und Menschen zur klimapolitischen Teilhabe befähigen, schlussfolgert das Wissenschaftler*innenteam. Außerdem wird betont: Klimabildung solle Befunde aus der Klimawandelforschung und damit die Realität abbilden und wirksame Maßnahmen für Klimaschutz und Anpassung an Klimawandelfolgen adressieren. Dazu liefert die Studie konkrete Handlungsempfehlungen für den Bildungsbereich. Das Autor*innenteam ist überzeugt: Wirksame Klimabildung muss politische Bildung miteinbeziehen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse über den anthropogenen Klimawandel und seine Auswirkungen, wie auch Warnungen seitens Umweltverbänden, liegen bereits seit Jahrzehnten vor. Auch in Schulen werden die Ursachen und Folgen des Klimawandels schon seit Mitte der 1980er Jahren thematisiert. „Neueste wissenschaftliche Befunde machen ebenfalls deutlich: Wissen und Problembewusstsein über die Klimakrise sind in der Bevölkerung vorhanden“, sagt Johanna Kranz, vom Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen (RLP-KfK), Hauptautorin der Studie. Menschen sind sich der ökologischen Herausforderungen bewusst, sie haben klima- und umweltfreundliche Einstellungen und sie unterstützen politische Maßnahmen für eine nachhaltige Zukunft. Die zentrale Herausforderung scheint jedoch eine andere zu sein: Wie kann das Klimabewusstsein zu stringentem Klimahandeln führen?

Dieser Fragestellung haben sich Forschende innerhalb einer systematischen Literaturanalyse angenommen. Im Rahmen der Studie argumentieren die Autor*innen, dass bislang zur Bekämpfung des Klimawandels fast ausschließlich auf freiwillige Veränderungen des individuellen Konsumverhaltens gesetzt wurde. Medial und im Bildungsbereich wurde die Verantwortung für die Reduktion der Treibhausgasemissionen den einzelnen Menschen zugeschrieben. Allerdings führen die Forschenden basierend auf den Erkenntnissen des IPCC an, dass selbst wenn alle Menschen sehr konsequente Maßnahmen ergreifen würden, die Effekte nicht ausreichten um das 1,5 °C-Ziel zu erreichen. Die größten Einsparungspotentiale liegen hingegen auf öffentlicher und politischer Steuerungsebene. Auch wenn individuelle Änderungen im Konsumverhalten und die Schaffung dafür notwendiger Rahmenbedingungen ein wesentlicher Baustein auf dem Weg hin zur Klimaneutralität sind, erläutern die Forschenden, dass viele individuelle Maßnahmen von politischen Rahmenbedingungen abhängen. Ist zum Beispiel kein öffentlicher Nah- oder Fernverkehr vorhanden, ist es den Menschen trotz bester Absicht nicht möglich, ihr Mobilitätsverhalten zu verändern.

„Die Klimakrise erfordert damit eine umfassendere Form der Kommunikation, die Menschen dazu befähigt, politisches Wissen und Handeln als Ausdruck eines ganzheitlicheren Verständnisses der Klimakrise zu entwickeln“, so Dr. Ulrich Matthes, Leiter des Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen.  

Entsprechende klimapolitische Maßnahmen werden von der Politik ergriffen, wenn sie von der Gesellschaft eingefordert werden. So wird in der Studie geschlussfolgert, dass neben der einseitigen Betonung von Anpassung des privaten Konsums oder individueller Schutzvorkehrungen bei Hitzeextremen, eine wirksame Klimabildung die Bedeutung politischer Entscheidungen für den Klimaschutz und die Anpassung an Klimawandelfolgen vermittelt und Menschen zur klimapolitischen Teilhabe befähigt.

Die Studienergebnisse zeigen allerdings, dass diese Befunde bisher kaum Einzug in die bisherige Klimabildung gefunden haben. So werden zum Beispiel zentrale Aspekte der Klimapolitik, wie das 1,5 °C-Ziel, die IPCC-Sachstandsberichte oder Klimagerechtigkeit in den untersuchten Interventionen nur selten behandelt. Im Vergleich zu Klimaschutz werden Folgen des Klimawandels oder auch Anpassungsmaßnahmen ebenfalls kaum thematisiert. Während Verantwortung für die Emissionen in den untersuchten Studien der Öffentlichkeit zugeschrieben wird, konzentriert sich die Kommunikation zu Klimawandelschutz sowie zur Anpassung an Klimawandelfolgen meist auf private Handlungsräume. Klimabildung korrespondiert daher laut der Studie in dieser Hinsicht nicht mit dem aktuellen Diskurs der Klimawandelforschung. Da wirksame Maßnahmen des Klimaschutzes und zur Anpassung an Klimawandelfolgen auf Maßnahmen der öffentlichen Sphäre beruhen, schlussfolgern die Wissenschaftler*innen der Studie, dass Klimabildung diese öffentlichen, kollektiven und politischen Maßnahmen erörtern und diskutieren sollte, wenn Klimabildung einen wirksamen Beitrag zu Klimaschutz und Anpassung an Klimawandelfolgen leisten soll. Die neuen Erkenntnisse unterstützen daher die Handlungsempfehlung, dass Klimabildung politische Bildung einbeziehen sollte.

Neben der Analyse gibt die Studie auch konkrete Handlungsempfehlungen für den Bildungsbereich, wie z. B. die Aus- und Fortbildung von Multiplikator*innen (z. B. Lehrkräfte), aber auch die Thematisierung von Risiko-, Veränderungs- und Handlungswissen in Bezug auf Klimaschutz, aber insbesondere auch im Hinblick auf bereits bestehende und zukünftig eintretende Klimawandelfolgen und mögliche Anpassungsmaßnehmen.

Artikel:

Kranz, J.; Schwichow, M.; Breitenmoser, P.; Niebert, K. The (Un)political Perspective on Climate Change in Education—A Systematic Review. Sustainability 2022, 14, 4194. https://doi.org/10.3390/su14074194

 

Link zum Paper:

https://www.mdpi.com/2071-1050/14/7/4194#cite

Kontakt:  

Johanna Kranz, Telefon: + 49(0)6131-884-268-124, E-Mail: johanna.kranz@klimawandel-rlp.de